Elke Suhr: Legende zu den bedeutsamsten Zeichen meiner Arbeiten in AUFBRUCH 2016
Griechischer Majuskel

Th
eta / Majuskel / Großbuchstabe der griechischen Schrift. Dort Anfangsbuchstabe des Wortes Theos (Gott), aber auch von Theater, in welchem zur Zeit der griech. Antike die Götter an der Bühnenrampe belehrend in Erscheinung traten.


Meine These: Im griechischen Th.e.os (GOTT) ist der Anfangsbuchstabe Theta der eigentliche Bedeutungsträger des Wortes, da die Endsilbe ‚os’ das männl. Geschlecht signalisiert und gegen „a“ austauschbar wäre. Das „e“ ist ebenfalls zu vernachlässigen bei der Deutung, da es vorwiegend für die Hörbarkeit des selbst stimmlosen Theta beim Sprechen zuständig ist.
Theta als Ideogramm gelesen zeigt eine Einheit, die zwei Hemisphären umschließt (siehe die Ausführungen von Prof. Dr. Haarmann in meinem  Buch „Versuche zu den Zeichen, Theta ein Buchstabe mit eingebauter Türschwelle“).
Diese Hemisphären deute ich einerseits (unten) als die sichtbare weltliche und andererseits (oben) als die unsichtbare geistige Sphäre. Die beiden Hemisphären in ihrer Gesamtheit - das Theta - könnten insofern als Göttliches repräsentierend  gelesen werden.
mittelaterliche
                  Elfenbeinschnitzerei

Die Majestas Domini –  Christi Darstellungen des Mittelalters, sitzend in einer Mandorla auf einem Regenbogen, lese ich so, dass das Ideogramm Theta weiterentwickelt wurde. Die sog. Mandorla könnte in den Schreibwerkstätten des frühen Mittelalters aus dem Theta abgeleitet worden sein. Die Hemisphären sind aber nun nicht mehr durch eine Grenze voneinander geschieden. Christus hat durch seine Erscheinung / Inkarnation die Grenze zwischen den beiden o.a. Hemisphären überwunden. Im Ideogramm des Kreuzes wurde dies dann noch abstrakter gefasst.

Zeichnung nach Thomas Norton

Die zentrale Figur des Läuterungsmusters von Thomas Norton, 1477, zeigt wiederum eine Einheit aus zwei Teilen. Auf der Grenze zwischen den beiden Teilen der Form befindet sich jedoch nicht Christus, sondern HOMO / der Mensch,  auf dem Läuterungsweg, transzendierend vom Chaos / Abgrund, unten, zum Bonum Infinitum / dem unendlich Guten, oben.



Detail des Motors von N.A.Otto

Das Zahnrad schließlich, zentral positioniert in N.A. Ottos Motoren
erfindung von 1867 und in der Weiterentwicklung durch Karl Benz, erscheint in diesem Zusammenhang als das zum Maschinenteil erstarrte, durch seine Materialität nur der unteren Hemisphäre verhaftete Ideogramm. Das Zahnrad aus Metall dreht sich zwar in Funktion -jedoch ohne Bewusstsein- ständig um die eigene Mitte von oben nach unten, allerdings w i r d  es dabei nicht, d.h. läutert sich nicht, sondern verschleißt sich nur, so lange die Maschine gebraucht wird.
Was ist aus der antiken Gottesvorstellung geworden?
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