Hypothese E. Suhr



In Goethes Arbeitszimmer im Haus am Frauenplan in Weimar ist das vierteilige Farbendreieck (GELB/BLAU/GRÜN/ROT) zur Pyramide zusammengefügt. Im Lauf des Jahrhunderts inzwischen total geschwärzt, gibt es durch seine Form aber noch Auskunft über  den  sinnlich-sittlichen Zugriff seines  Schöpfers auf die Denkmuster, die er vorfand:

Nach der Erfindung des Fluchtpunktes in der Renaissance - zur Zeit also des Raffael - (des Fluchtpunktes sozusagen aus der Welt in die Welt als Spiegel) endet und beginnt sozusagen der Blick an der Materie, wird jedoch als Idee durch Bild-Materie erst sichtbar.

Das BIickende, der / die BIickende ist der Blick. Die Form der Blickpyramide ist als eine sich entfaltende und zusammenziehende gleichermaßen zu betrachten. Der Blick der kosmischen Weltseele nach Plotin begegnet nun dem Blick des bewussten Menschen. Und das, was nach Goethe blicken läßt (Vernunft, Verstand, Phantasie) bilden diese Pyramiden-Form.

Basis und Grenze, mit zeitgenössischem Begriff formuliert - die Schnittstelle - der Sehpyramide  ist nach Goethe die Sinnlichkeit, das zentrale Grün, die Synthese der Gegensätze des Lichthaften und Obscuren.
Der verschwundene Ort des Infernalischen einerseits, bzw: des Unendlich Guten andererseits - wohin mag Goethe ihn verwiesen haben? Aufschluss gibt folgendes Gedicht:

WELTSEELE 11


Verteilet euch nach alten Regionen
von diesem heilgen Schmaus!
Begeistert reißt euch
durch die nächsten Zonen
ins All und füllt es aus.

zurück                                                                            home
weiter
E. Suhr: Hypothetische Verknüpfung zweier Denkmuster. 1999  11  J.W.v. Goethe: Gedichte, Weimar 1797 - 1805, Gesammelte Werke, Inselverlag,  Bd.