Zwischen Licht und Schatten - Dr. Thomas Piesbergen zur Ausstellung "Overcoming the Embrasure" von Elke Suhr
Die Ausstellung Overcoming the Embrasure von Elke Suhr ist vom 13. - 28. November 2021 im Künstlerhaus Sootbörn zu sehen.

Licht und Schatten sind für den Menschen nicht nur Begriffe, mit denen ein optisches Phänomen beschrieben wird, das uns hilft unsere visuelle Welt zu strukturieren. Vor allem sind sie zu einer der grundlegenden Metaphern gewor-den, um die seelische Befindlichkeit auszudrücken - und um ausgehend davon die Beschaffenheit der Welt jenseits des Sichtbaren in Form von Religion und Metaphysik zu entwerfen.

In nahezu allen Religionen wird das Licht gleichgesetzt mit der Anwesenheit des Göttlichen, dem Paradies, der Erleuchtung, während das Reich der Schatten vor allem gleichgesetzt wird mit dem Tod. Diese Verknüpfung von Dunkelheit und Tod kann zurückverfolgt werden bis in die mittlere Altsteinzeit, aus der die ältesten Kulthöhlen stammen. In ihre Dunkelheit stiegen die paläo-lithischen Jäger hinab, um dort die Wiedergeburt der von ihnen getöteten Jagdtiere zu bewirken und ihre Seelen aus dem Reich des Todes auferstehen zu lassen.

Zwar waren Tod und Dunkelheit mit Erschütterung und auch mit Angst verbunden, gleichzeitig aber waren sie die Quelle neuen Lebens. Diese Verknüpfung bleibt über lange Zeit ein zentraler mythischer Komplex - im Neolithikum z.B. versinnbildlicht durch die lebensspendende Herrin der wilden Tiere aus Catal Hüyük, die uns zwar als Muttergöttin entgegentritt, aber beglei-tet ist von tödlichen Raubtieren. In den orientalischen Hochkulturen ist es der babylonische Gott Ea, der Herr des unterirdischen, lebensspendenden Urozeans.

Auch in der europäischen Antike lebte die Einheit von Dunkelheit, Tod und Geburt zunächst weiter, z.B. im Mysterium der Demeter von Eleusis, in der die Mysten viele Stunden in absoluter Dunkelheit verbringen mußten, bevor Demeters Tochter Persephone, die Frau des Unterweltgottes Hades, als
Kore, das wiedergeborene Mädchen, zwischen ihnen, umgeben von hellem Lichtschein, erschien, um das Leben und den Frühling zu bringen. Und in Indien gilt die schwarze Göttin Kali bis heute nicht nur als Göttin des Todes sondern auch als Symbol der Fruchtbarkeit und Erneuerung und als die lebensspendende Energie des Shiva.

Doch spätestens im persischen Zoroastrismus wurde die Dunkelheit nicht mehr nur mit dem Tod, sondern auch mit dem Bösen identifiziert, in Gestalt des schwarzen Angra Mainyu, der dem Schöpfer- und Lichtgott Ahura Mazda entgegentritt, um mit ihm um die Vorherrschaft über die Welt zu ringen. Auch im Alten Testament begegnen uns Dunkelheit und Finsternis immer wieder als Synonyme für Qual und Marter (Ps. 107). In der Mythologie des Christentums schließlich wird der vormalige „Lichtträger“ Luzifer in die Tiefe, unter die Erde zu den Toten gestoßen (Jesaja 14; Hesekiel 18) und dadurch zum Herren über die verfehmte dunkle Seite des Menschen. In seiner gehörnten Gestalt jedoch klingt nicht nur die Erscheinung des paläolithischen Herrn der Tiere an, der über die Tiergeister im Jenseits herrscht und sie wieder ins Licht und damit ins Leben führt, sondern auch die Verkörperung des Babylonischen Ea als Steinbock oder „Ziegenfisch“.

Die Metapher des Lichts ist uns bereits aus vorchristlicher Zeit in Form verschiedener Sonnengottheiten, aber vor allem aus dem Alten Testament und aus Platons Höhlengleichnis bekannt.
In den Psalmen heißt es: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“ (Ps. 27) und „Denn bei Dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“ (Ps.36).  Im Höhlengleichnis wirft das Licht, das von außen in die Höhle dringt, die Schatten, die wir für die Wirklichkeit halten, an deren rückwärtige Wand, bringt also unsere Dingwelt hervor, die aber nur Täuschung ist.
Im neuen Testament sagt Jesus von sich „Ich bin das Licht der Welt.“ Für die Neuplatoniker, in deren Denken sich die antike Philosophie mit dem Christen-tum verbindet, wurde das göttliche Licht zum einzigen, weltbegründenden Prinzip erhoben. Existent sind nur die Dinge, die in seinen Schein treten.

Diese Betonung der Lichtmetapher bei gleichzeitiger Diffamierung der  Licht-
Dokumentation      Vernissage
back
next